Der Zweifel – Engelchen oder Teufel?
Ein Großteil meiner Beziehungen ist in die Brüche gegangen, weil irgendwer angefangen hat zu zweifeln. Insbesondere der Zweifel an der Treue eines Partners ist wie Gift für eine Beziehung. Aber auch der Zweifel an der Ehrlichkeit eines Partners und der Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Partner können dazu führen, dass man kein Vertrauen mehr in diese Person hat oder das Vertrauen zumindest angeknackst wird. Und ist erst einmal das Vertrauen nachhaltig gebrochen, ist der Untergang einer Beziehung schon besiegelt, wenn nicht beide Partner daran arbeiten, die Beziehung noch zu retten und das Vertrauen wieder zurückzugewinnen.
In meinem Falle kann ich absolut keine Tipps geben, wie man mein Vertrauen oder ich das Vertrauen einer Person wieder gewinnen kann. Denn der Zweifel wirkte bei mir immer wie eine self-fulfilling prophecy. D.h. selbst wenn meine Zweifel unberechtigt waren, so hat mein Verhalten, das durch den Zweifel geboren wurde, dazu geführt, dass sich meine Zweifel bestätigten. Konkret: Ich stelle die Person in Frage und in meiner Wahnvorstellung – bei der ich mir rückblickend immer noch nicht sicher bin, bei welchen Personen mein Zweifel tatsächlich eine Wahnvorstellung war – sehe ich bei jeder Tat und jedem Wort, die/das mich nur annähernd bestätigen könnte, meine Zweifel wieder. Das man sowieso immer nur die Person aus der eigenen subjektiven Sicht sehen kann, war mir schon vorher klar. Aber dass meine Einbildung „ich wüsste besser als die betroffene Person, wer sie sei“ dafür sorgt, dass ich sogar die Fähigkeit verliere, diese Einbildung zu reflektieren, wird mir – wenn überhaupt – erst im Nachhinein klar.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Menschen eine solche Fähigkeit nicht entwickelt hätten, wenn es hierfür nicht auch einen sozialen oder psychologischen Zweck gäbe. Ich denke, der psychologische Vorteil liegt auf der Hand: Selbstschutz. Der Zweifel soll einen davor bewahren, in eine ungewollte Situation zu geraten und sich nicht von anderen Personen hinters Licht führen zu lassen. Zum Beispiel ist eine meiner Eigenschaften, dass ich zwar auf der einen Seite das Leben so annehme, wie es kommt, aber auf der anderen Seite auch nicht meine kostbare Zeit nicht verschwenden will. Wenn also eine Person in Zukunftsperspektive nicht meine Erwartungen erfüllen kann, hilft mir der Zweifel, dass ich das schon im Vorfeld durchschaue. Unpraktisch jedoch, wenn die Erwartungen zu hoch gesetzt werden und niemand diese erfüllen kann – was mir zum Glück inzwischen nicht mehr passiert.
Sozial gesehen ist es natürlich wichtig, über seine Zweifel und Ängste zu reden. Auch wenn diese unbegründet sind, so zeigen sie dem Gegenüber auf, welche Erwartungshaltung und Bedenken man hat. Wenn man hier eine gute Kommunikationsform hat und die Sorgen ernst nimmt, glaube ich, dass das eine Beziehung verbessern kann. Während die einen lernen müssen, mit ihren Erwartungen umzugehen und nicht paranoid zu werden, müssen die anderen die Zweifel des Partners – selbst wenn sie unberechtigt sind – aufnehmen können sowie ihr Verhalten reflektieren, inwiefern die Bedenken doch berechtigt sind. Wenn alle sich auf diese Weise weiterentwickeln, verändert sich auch die Beziehung: Die Gefahr, dass man sich auseinanderlebt, wird minimiert und das Gefühl, den anderen „wirklich“ zu kennen, stärker ausgeprägt.
Seitdem ich aufmerksamer versuche, die Zweifel und Ängste von meinen Liebhaberinnen herauszuhören, bevor sie zu einem Drama werden, und auch selbst mehr darauf achte, wie angebracht meine Erwartungshaltung ist, ist mir bisher keine Beziehung mehr kaputt gegangen. Ob dies aber an meinem neuen Umgang mit Zweifeln liegt, kann ich jedoch nicht sagen. Die Zeit wird’s zeigen.