Desillusionierende Katzenmenschen
Vor Kurzem habe ich dieses Video gesehen:
How attached are cats to their owners?
Während ich den abschließenden Kommentar über die Fragwürdigkeit der Liebe von Katzen nicht unterschreiben kann, finde ich die Feststellung, dass Katzen uns nicht brauchen, um sich sicher zu fühlen, interessant. Auch wenn ich es gern wollen würde, kann ich keinem Menschen, der erwachsen genug ist, für sich selbst zu sorgen, versichern, immer und jederzeit verfügbar zu sein.
„The cat uses not the owner as her point of reference, she makes her own decisions“
Ein Mensch mit katzenartigen Eigenschaften (im folgenden Katzenmensch genannt) ist selbstständig genug, dass aus der im Video beschriebenen Situation nicht gleich ein Drama wird, da er für seine eigenen Entscheidungen auch die Verantwortung übernehmen kann.
Und Katzen haben noch mehr positive Eigenschaften. Zum Beispiel wird eine Katze einem immer mitteilen, wenn ihr etwas nicht gefällt, notfalls auch mit Kratzen und Beißen. Während zum Beispiel die meisten Hunderassen – wenn man die Hunde nicht quält – anscheinend alles mögen, solange der Besitzer es mit einem macht. Diese devote Eigenschaft (der im Folgenden genannten Hundemenschen) mag vielleicht in einem sexuellen Rollenspiel für manche erotisch sein, aber in einer Beziehung ist diese Eigenschaft für Katzenmenschen hinderlich: Katzenmenschen teilen ihre unterschiedlichen Ansichten mit und haben auch kein Problem darüber zu streiten. Denn nach einem Streit finden sie am Ende wieder kuschelnd zueinander – und so haben sie wieder etwas mehr über sich und ihre/n Partner herausgefunden.
Durch solche anregenden Gespräche verstehen sie, wo die Grenzen des anderen liegen. Und selbst wenn sich ihre Bedürfnisse gegenseitig ausschließen und ein Konsens – in hoffentlich seltenen Fällen – nicht möglich sein sollte, so machen sie sich diesen Konflikt bewusst und sich nicht jahrelang die Illusion, es gäbe keine Probleme – immerhin ist diese Illusion etwas rein Subjektives und nur in unserem Kopf vorhanden.
Katzenmenschen handeln durch die o.g. Kommunikation aus, was für Beziehungen sie mit den Personen haben, und so finden sie heraus, durch welche Verbindlichkeiten diese Beziehungen definiert sind. Sie sind in der Lage, ihre eigenen Vorstellungen von der Beziehung in Frage stellen zu können, denn so können sie reflektieren, inwiefern man nun tatsächlich schon Verbindlichkeiten und Verpflichtungen ausgemacht hat, und lassen sich durch diese Methode nicht von ihren eigenen Illusionen täuschen.
Diese Art von Selbstreflektion ist für die Katzenmenschen wichtig, wenn ein Partner gezielt bei einem zwischenmenschlichen Thema, das ihnen wichtig ist, nachbohrt, denn nur so können sie sich in die Lage des anderen versetzen. Wäre eine Person mit allem zufrieden, was ein Katzenmensch macht – also ein typisches Hundemenschen-Verhalten – und ist nicht in der Lage, einen Katzenmenschen frech zu provozieren, so ist das für den Katzenmenschen suspekt. Denn wenn der Hundemensch nicht einmal erkennt, dass der Katzenmensch selbst täuschende Illusionen hat – ja, ich glaube, es ist einfacher die Illusionen anderer besser zu erkennen als bei sich selbst -, dann unterliegt der Hundemensch vielleicht selbst einer starken selbst täuschenden Illusion!?
Diese Täuschung merkt man daran, dass bestimmte Attribute vom Katzenmenschen-Partner zu einer Belastung werden. Und wie zuvor bereits erklärt, wird das dann hingenommen anstatt den Katzenmenschen verstehen zu wollen.
Zum Beispiel wirken die Katzenmenschen auf Hundemenschen wie eine Diva, wenn ein Katzenmensch das Ansehen einer anderen Person genießen darf, und so ein Ansehen das Selbstwertgefühl steigert. Katzenmenschen wirken dann überheblich – die ungelöste Frage ist jedoch, ob das Selbstwertgefühl nun tatsächlich (unverhältnismäßig) übersteigert ist oder ob es nur eine Frage der Perspektive ist: Je nach Vorstellung über einen Partner kann dieser Mensch nämlich hochmütig oder selbstbewusst, größenwahnsinnig oder selbstsicher, exzentrisch oder offen wirken.
Ist der Katzenmensch ein Narzisst, vor dessen egomanen Ausbrüchen man sich schützen sollte, oder gibt es einen zwischenmenschlichen Grund für sein Verhalten, den man noch nicht verstanden hat? Inwiefern ist man bereit, auch aggressive, dominante und gewaltige Attribute des Partners verstehen und lieben zu wollen – oder bei Bedarf sogar zu fördern?