I might be an aro*

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photo credit: Marcia Cirillo via Flickr cc

Vor einigen Monaten hatte ich seit einiger Zeit endlich wieder die Gelegenheit, zwei wundervolle Menschen zu besuchen, die in meinem Leben zwar leider aufgrund von Distanz- und Zeitgründen keinen größeren Raum einnehmen können, die mich jedoch regelmäßig wünschen lassen, die Möglichkeit zu haben, mehrere Lebensoptionen ausprobieren zu können. Der letzte Besuch ist zudem sehr positiv in meiner Erinnerung verankert worden, da ich zum ersten Mal mit den beiden über unsere gegenseitigen Gefühle gesprochen habe, was mich mit einem Gefühl von Wertschätzung und dem wahnsinnig tollen Bewusstsein, speziellen Menschen wichtig zu sein, aus dem Wochenende entlassen hat. Allerdings hat sich bei unseren Gesprächen auch eine Unruhe in mir festgesetzt, die ich zu dem Zeitpunkt noch nicht genau bestimmen konnte. Wir haben viel über die Gefühle, die zwischen den beiden existieren, gesprochen und dabei hatte ich ständig den Gedanken, dass ich diese unglaublich schön finde, aber irgendwie nicht nachvollziehen kann. Einer der Partner hat darüber gesprochen, dass der Unterschied zwischen der Liebe zwischen den beiden und der Liebe zu Freunden sich unter anderem folgendermaßen ausdrückt: das Vermissen eines romantisch geliebten Menschen ist für beide eher mit einem Gefühl von Schmerz verbunden, während Freunde eher auf einer theoretisch-abstrakten Ebene vermisst werden würden.

Einige Tage später lag ich auf der Brust eines anderen Herzensmenschen im Bett und habe darüber nachgegrübelt, wie sich meine Identität in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich habe ihm erzählt, dass sich da einiges bei mir verschoben hat – unter anderem identifiziere ich mich erst seit ein paar Jahren mit meiner bisexuellen Seite – und habe darüber nachgedacht, warum das bei mir so lang gedauert hat. „Ich bin definitiv bisexuell“, habe ich versucht zu erklären, „aber ich weiß nicht, ob ich auch biromantisch bin. Ich meine, ich habe bis jetzt für keine Frau Gefühle empfunden, die sich von denen für enge Freunde unterscheiden …“ In dem Moment habe ich ihn etwas verdutzt angeschaut und meinte: „Wenn ich so darüber nachdenke, ist das bei dir auch nicht der Fall.“ Das war der Moment, in dem mir das erste Mal der Gedanke gekommen ist, dass ich in das aromantische Spektrum fallen könnte. Immerhin empfinde ich zwar in bestimmten Beziehungen die Anfangsaufregung oder auch NRE (new relationship energy), aber nachdem diese abklingt bleibt eine emotionale Nähe zurück, die sich für mich nicht von anderen Freundschaften unterscheidet. 

Ich habe also angefangen mich mit dem Thema etwas näher auseinander zu setzen: The Thinking Asexual hat folgende Definitionen in einem Blogbeitrag über asexuelle und aromantische Spektren geschrieben: 

Aromantics do not experience romantic attraction or the desire to form normative romantic relationships with other people. (Note: like asexuals who end up in sexual relationships, aromantics can end up in romantic relationships, despite not having an ongoing and abstract interest in them. This is especially true for aromantic allosexuals, who can easily end up dating a sexual partner, even when they’re not romantically attracted to them.)

Demiromantics can experience romantic attraction but only after they’ve developed an emotional attachment to someone. Basically, demiromantics only ever fall in love with people they’re already pretty good friends with. They’re not going to feel romantic attraction to a total stranger they aren’t close to, not even after 10 dates. The actual amount of time it takes a demiromantic person to feel romantic attraction to a friend varies by person and situation, just like sexual attraction does for demisexuals. Demiromantics may still only experience romantic feelings sporadically or rarely.

Gray-aromantics may: rarely experience romantic attraction, experience romantic attraction but feel repulsed by romantic relationships and never actually want to get involved in them, experience a kind of emotional attraction that cannot easily be defined as “romantic” or “nonromantic,” want queerplatonic or other gray-area relationships regardless of their attraction experience.

Irgendwie fühlt sich aber keine Bezeichnung passend für mich an: ich empfinde definitiv emotionale Anziehungskraft zu Menschen, fühle mich also nicht als aromantisch, noch bin ich demiromantisch, da sich meine romantischen Gefühle auch nicht erst entwickeln, nachdem ich die emotionale Bindung entwickelt habe (diese wird jedoch gewöhnlich stärker). Und das grauromantische Spektrum fühlt sich auch nicht passend an, da mich romantische Beziehungen nicht abstoßen und ich mich durchaus mit dem Gedanken wohlfühle, mit einem romantisch-fühlenden Menschen eine Beziehung einzugehen, solange nicht eine Erwartungshaltung des Gegenübers besteht, dass ich romantische Gesten und Handlungen erwidern muss. 

Vielleicht ist es auch einfach nicht leicht, sich als romantisch oder aromantisch zu bezeichnen, wenn man nicht mal wirklich versteht, was mit romantischen Gefühlen eigentlich gemeint ist. Amelie kämpft in ihrem Artikel Romantisch, unromantisch, aromantisch, WTFromantisch? mit ähnlichen Problemen wie ich.

Unterbewusst habe ich schon lange versucht, dieses Problem für mich zu lösen, indem ich Menschen in meinem Leben, bei denen ich feststelle, dass sie in Beziehungen andere Gefühle haben könnten als ich, frage, was Liebe für sie eigentlich bedeutet. Nach meiner Entdeckung vor einigen Monaten bin ich dazu übergegangen etwas spezifischer zu fragen, was romantische Beziehungen für den jeweiligen Menschen von Freundschaften unterscheidet. Eine interessante Antwort habe ich vor einigen Wochen bei einer Bahnreise durch Spanien bekommen: Für meinen Gesprächspartner bedeutete der romantische Aspekt in einer Beziehung, eine gewisse Magie in einer Beziehung einzubringen und aufrecht zu erhalten, um die Besonderheit dieser Beziehung anzuerkennen (für alle meine Poly- und Open-Menschen da draußen: für ihn bedeutete die Anerkennung dieser Besonderheit nicht, dass diese nur auf einen Menschen bezogen werden kann). Diese Erklärung hat für mich viel Sinn ergeben, auch wenn ich selbst nicht sicher bin, inwiefern ich das selbst in Beziehungen anstrebe. Ich kann mich nicht daran erinnern, das in vergangen Beziehungen aktiv angestrebt zu haben. Auch hier habe ich wieder festgestellt, dass ich den Wunsch diese Magie zu kreieren zwar auf einer abstrakten Ebene nachvollziehen kann, aber diesen nicht speziell bei mir selbst identifizieren kann.

Ich werde mir dieses Thema wohl noch eine Weile durch den Kopf gehen lassen und auch, wenn ich bis jetzt kein gutes Wort habe, mit dem ich mich in dieser Hinsicht identifizieren kann, habe ich zumindest das Gefühl, dass das Bewusstsein, dass ich in Beziehungen anders fühle als viele andere Menschen, zumindest eine gute Kommunikationsgrundlage bildet, um über mögliche Differenzen zu sprechen.

*aro=aromantisch