Pansexuell – was ist das eigentlich? Teil II
Gastartikel von AnasthaZia:
Eines Tages sah ich dann „ihn“ – auffällig schwarz gekleidet und geschminkt – und schon war es um mich geschehen. Ihr erinnert euch sicherlich daran, wie es für euch war, die Aussicht auf eine erste, erfolgreiche Beziehung zu haben – Schmetterlinge im Bauch, grenzenlose Neugier und Hoffnung. Diesmal hatte ich Glück und es ergab sich. Für uns beide war es die erste Beziehung und nach einigen wenigen Dates offenbarte mir meine Liebe unter Tränen, dass sie kein Er sei und sich schon immer als Frau verstanden hat. „Und ich dachte, es sei etwas wirklich Schlimmes“, war mein erster Gedanke. Irgendwie war mir die Persönlichkeit meiner Liebe schon in diesem Moment weit wichtiger als ihr Geschlecht. Ich wollte mit ihr glücklich sein und dachte mir: „Warum nicht?“ Wie konnte ich mir denn so sicher sein, dass ich nicht auf Frauen stehe, wenn ich mich nie ernsthaft damit auseinandergesetzt habe?
In den nächsten Jahren gab ich dem Gefühl der Anziehung Frauen gegenüber freien Lauf und stellte fest, dass die Regungen sehr real waren. Da mein Umfeld nur die Kategorien homosexuell, heterosexuell und bisexuell kannte und meine Gefühle Männern gegenüber blieben, ordnete ich mich bei bisexuell ein, auch wenn ich, wie im ersten Teil beschrieben, bereits mit 18 bis 19 die Erfahrung gemacht habe, dass ich irgendwie anders als manche Bisexuelle war. Einige von ihnen konnten es sich nicht einmal vorstellen, dass geschlechtliche Identität nicht besonders viel mit dem zu tun hat, was man zwischen den Beinen hat. Meine Liebe war für solche Menschen eh „keine richtige Frau“, dementsprechend empfanden sie mich auch nicht als richtig bi. Doch für mich war es von Anfang an ernst und ich sah mich selbst in einer lesbischen Beziehung mit einer Transfrau und obwohl es zwischen ihr und mir nicht gehalten hat, bin ich sehr froh und glücklich darüber, dass ich durch sie mutig genug war, offener lieben zu lernen.
Mein Verlangen und Wikipedia
Wie fand ich nun heraus, dass ich pansexuell bin? Es müsste irgendwann zwischen 2008 und 2009 gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon längst in der queeren Szene unterwegs, sah es als meine Pflicht beim CSD mitzulaufen und, geprägt von den Erfahrungen der Diskriminierung gegenüber meiner ersten Liebe, wollte ich mich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Aktiv werden für eine Welt, in der Menschen das sein konnten, was sie sein wollten, ohne dafür verurteilt zu werden. Eine Welt, in der Menschen frei lieben konnten. Mein Idealismus führte mich auf diverse Seiten der queeren Community, wo die unterschiedlichsten Erfahrungen und Wünsche zusammen kamen, einig in dem Punkt, dass man gerne einfach leben würde, wie man ist. Frei sein. Auf einer dieser Seiten sprang mir das Wort „pansexuell“ entgegen. „Interessant“, dachte ich. „Das habe ich noch nie gehört.“ Neugierig gab ich das Wort in die Suchmaschine ein, landete bei Wikipedia und las gespannt. Jedes Wort sprach mir aus der Seele. Fortan bezeichnete ich mich als pansexuell. Dabei hatte sich am Verlangen selbst nichts geändert. Es war nur das passendere Wort, das ich für mich fand.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Momentan lebe ich in einer offenen, heterosexuellen Beziehung. Durch unsere Verlobung wirken wir auf viele Außenstehende wie ein ganz „normales“ Paar. Einige Bekannte sagen oft, dass sie in uns ein Traumpaar sehen, so harmonisch wirken wir. Dabei werde ich oft das Gefühl nicht los, dass sie in uns die Verwirklichung von einem kulturellen Ideal einer wahren, monogamen, heterosexuellen Liebe sehen. Viele machen es sich nicht einmal bewusst, dass wir kein sexuelles Monopol vom Gegenüber verlangen. Wenn sich dann tatsächlich die Gelegenheit bietet, dass jemand wissen will, was meine sexuelle Orientierung ist, versuche ich, meinem Gegenüber Pansexualität zu erklären: „Mir ist der Mensch wichtiger als das Geschlecht.“ So die Kurzform. Manche verstehen das. Andere versuchen, hinter der Definition Bisexualität zu entdecken, worauf ich entgegne, dass ich nicht an das binäre Geschlecht glaube, ganz gleich wie sehr das in unserer Sprache und in der dominanten Kultur verwurzelt ist. Denn die Frau oder den Mann fest zu definieren, stellt sich als eine Unmöglichkeit heraus, wenn man unvoreingenommen darüber nachdenkt. Jede Person definiert ihre geschlechtliche Identität individuell für sich, auch wenn sie sich an gängigen kulturellen Vorstellungen von männlich, weiblich, maskulin, androgyn und feminin orientiert. Das Menschliche in all dieser Vielfalt zu sehen, ist hingegen gar nicht so schwer.
Lieben Dank nochmal an die Künstlerin AnasthaZia für ihren Gastartikel über Pansexualität – wir freuen uns, dass auch dieses Thema jetzt Einzug in unseren Blog gehalten hat! Den ersten Teil des Artikels gibt’s hier.