Rot wie Blut
Mein heutiger Artikel beschäftigt sich mit einem Thema, von dem ich – und ich bin fast sicher, dass ich damit nicht alleine bin – selbst nicht genau weiß, wie ich dazu stehe. Es fängt schon damit an, dass es wenig passende oder schöne Worte dafür gibt: Menstruation, Tage, Regel, Periode … ich habe alle Wörter schon verwendet, gut angefühlt hat sich keines davon. Und ich bin nicht sicher, ob das nur daran liegt, dass ich persönlich aufgrund starker Schmerzen eher schlechte Erfahrungen mit meiner Menstruation gemacht habe.
Rotes Tabuthema
Was ich relativ früh gelernt habe, war, dass man über das Thema wenig spricht. Also im vertrauten Kreis unter engen Freundinnen, mit meiner Mutter gelegentlich, mit dem Arzt, wenn es nötig ist, aber im Gegensatz zu Kopfschmerzen ist es nichts, worüber man sich beispielsweise beim Abendessen unterhält. Liebe männliche Leser, wenn eine Frau andeutet, dass es ihr schlecht geht und sie verschwörerische, verständnisvoll-mitleidige Blicke mit anderen Frauen in ihrer Umgebung austauscht, dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass hier keine Weltverschwörung im Gange ist, sondern sie einfach nur ihre Tage hat ;-). Das könnte man auch einfach sagen, aber irgendwie spielt bei diesem Thema Scham eine nicht unerhebliche Rolle, obwohl es dafür keinen rationalen Grund gibt. Auch wenn Menstruation etwas sehr Natürliches ist, wird sie oft nicht so behandelt.
Ich bin froh, dass es langsam Anzeichen gibt, dass sich das ändert. Es gibt seit Kurzem mehrere Erfindungen, die Alternativen zum Tampon darstellen: Menstruationstassen, saugstarke Slips und waschbare Baumwollbinden. Da ich selbst gerade nicht mehr menstruiere (vgl. meinen Artikel Wenn die Lust wegen der Pille manchmal schläft …), habe ich noch nichts davon ausprobiert, aber würde mich freuen, wenn die Mutigen in den Kommentaren ihre Erfahrungen teilen würden. Dass die neuen Formen der Blutentsorgung einen besseren ökologischen Fußabdruck als die konventionellen Methoden haben, würde ich als positiven Nebeneffekt einstufen, aber mehr auch nicht. Mein leiser Verdacht ist, dass besagter Fußabdruck gern als Aufhänger missbraucht wird, weil man sich nicht mit dem Kern des Themas auseinander setzen will – nämlich dem, dass alle bisherigen Methoden schnell extrem unpraktisch sind, wenn man unterwegs ist, der nächste Mülleimer nicht in Sichtweite ist oder man einen Mini-Rock trägt. Nach einer stressigen Jugend diesbezüglich hatte sich das im Erwachsenenalter ganz gut eingependelt bei mir, aber ich erinnere mich, dass das einige Jahre gedauert hat. Ich wollte um jeden Preis vermeiden, dass jemand irgendwo Blut sieht und etwas mitkriegt.
Natürlich rot
Umso erstaunter war ich, als ich von einer Marathonläuferin las, die den London Marathon lief, ohne Tampon oder Binde zu tragen, obwohl sie blutete. Die für mich absolut einleuchtende Erklärung bestand darin, dass es viel zu unbequem gewesen wäre, sich die ganze Strecke über Gedanken um einen Tampon zu machen. Ich denke seitdem viel darüber nach, wie ich selbst zu diesem Thema stehe. Es ist nicht so, dass ich mich darum reiße, Fotos von blutenden Frauen zu sehen, wie sie teils unter Schlagworten wie period positivity oder #freebleeding geteilt werden. Trotzdem denke ich, dass diese Bewegung enorm wichtig ist und wir endlich mal diese Distanz zu uns und unserem Körper abbauen sollten. Damit meine ich, dass das Thema nicht ständig als reines Frauenthema eingestuft und abgeschoben wird, sondern man auch mal im gemischten Freundeskreis erzählen sollte, warum einem gerade schlecht ist. Frauen sprechen sich hier gegenseitig Trost zu – was ich gut finde –, aber trotzdem achten sie peinlich genau darauf, dass nichts nach außen dringt. Was natürlich auch mit Intimsphäre zu tun hat.
Wie gesagt, ich bin selbst noch dabei, mir eine finale Meinung dazu zu bilden. Allerdings denke ich, dass etwas mehr Offenheit allen gut täte – den Frauen selbst, weil sie sich nicht verstecken oder verstellen müssen, und dem Umfeld, weil es realistisch einschätzen kann, wie es der Frau geht und warum es ihr ggf. nicht so gut geht. In diesem Sinne bin ich gespannt, wann die erste deutsche Prominente mit Blutfleck zu einer wichtigen Veranstaltung erscheint. (Und hoffe, dass sie in diesem Moment ganz viel Zuspruch und Unterstützung ernten wird.)
Hallo,
also das Thema finde ich sehr interessant. 🙂
Als Teenager fand ich meine Tage immer sehr belastend, vor allem, weil ich erst ziemlich spät den Mut fand, Tampons auszuprobieren. Der Umgang mit Binden und wie man die wechseln soll, ohne auf die siffigen Schultoiletten zu gehen… bäh.
Dabei ist mir ein Erlebnis einer Mitschülerin im Gedächtnis geblieben, deren Hose vorn ganz rot geworden war. Sie ist geblieben und hat ihr Oberteil einfach vorn weiter runtergezogen. Ich fand das damals megamutig. Sie war Tuschelthema der nächsten Tage. 🙂
Mittlerweile finde ich meine Tage eher lästig, weil man dann nicht immer so spontan sein kann, wie man möchte – weder bei sexuellen Dingen noch bei Unternehmungen, weil ich auch heute noch Tampons sehr ungern auf öffentlichen Toiletten wechsel. Schliesslich braucht man dafür saubere Pfoten und wenn die KLos siffig sind oder keine Seife vorhanden ist… ähm…
Mittlerweile halte ich es so, dass ich tagsüber Tampons trage und in der Nacht nur eine dicke Binde, damit sich der Körper innen erholen kann. Das Laufgefühl des Blutes finde ich sogar manchmal etwas erotisch. Nicht so toll finde ich die Blutflecken, die man hinterlässt, wenn man nicht aufpasst. Das rauswaschen eben dieser finde ich doch etwas lästig und trage daher grundsätzlich rote Schlüpfer während meiner Tage.
Menstruationstassen habe ich noch nicht ausprobiert, die sind mir nicht geheuer irgendwie. Was für blutsaugende Slips meinst du?
Die Marathonläuferin, die du erwähnt hast, geht mir grad nicht mehr aus dem Sinn. Hat sie es einfach auf die Strasse durch die Klamotten durchtropfen lassen oder ist es ihr in die Schuhe gelaufen, was ja auch nicht gut zum Laufen wäre? Hmm…
Hoffe, das waren jetzt nicht zu viele Details *smile*
liebe Grüsse
kitty
Hallo kitty,
vielen lieben Dank für deinen tollen Kommentar! Mir ging es mit den Tampons in meiner Jugend ziemlich ähnlich 😉
Mit den blutsaugenden Slips meine ich diese hier: http://www.shethinx.com/ Da ist anscheinend eine antimikrobielle Schicht gegen Bakterien und Geruch integriert und man braucht keine extra Binden oder Slipeinlagen mehr, d.h. es geht auch nichts daneben. Klingt m.E. vom Prinzip her nicht schlecht, ist wahrscheinlich nur noch die Sache, wie’s sich anfühlt.
Kiran Gandhi, die Marathonläuferin, hat hier noch mehr über ihre Gründe fürs freebleeding geschrieben: https://kirangandhi.com/2015/04/26/sisterhood-blood-and-boobs-at-the-london-marathon-2015/ Ganz oben ist auch ein Foto von ihr; man sieht einen Blutfleck auf der Hose, aber ich hätte jetzt nicht das Gefühl, dass sie die ganzen Beine runtergeblutet hat.
Und nö, für genau solche Gespräche sind wir doch da 🙂
Liebe Grüße
Aureliana
Meine Erfahrung mit Menstruationstassen:
Erstmal darf man die richtige Größe finden und herausfinden, wie man sie einsetzen muss. Das kann bei etwas ungeschickten Menschen wie mir schonmal etwas dauern 😀
Sie sind eine wunderbare Alternative zu Tampons so lange man im eigenen Haus ist oder eine sehr gering frequentierte Toilette in der Nähe hat. Oder Klokabinen mit Waschbecken darin.
Ich blute selber sehr stark, wenn ich die Tasse entleere, und das muss ich an den ersten paar Tagen fast so oft wie Tampons wechseln, dann sehen meine Hände danach aus als hätte ich ein Schwein geschlachtet. Das könnte ich auch mit mehr Geschick nicht vermeiden.
Danach würde man die Tasse ja gern säubern bevor man sie wieder einsetzt. Die ganze Prozedur beinhaltet also einen Gang zum Waschbecken mit ganz klar sichtbaren blutigen Händen.
Für den Minirock ist sie natürlich praktischer 🙂 Auch das Tragegefühl ist besser als bei Tampons, da kein Faden. Und vor allem bei den leichten Tagen kann man sie viel länger/besser nutzen als Tampons, da sie nicht die Vaginalflora aufsaugt/angreift. Allerdings wüsste ich selber gern wie lang – ich kann mir nicht vorstellen dass 24h dauertragen da gesund ist…
Auch bei stärkerem Ausfluss kann man sie benutzen.
Eine weitere Theorie ist, dass Frauen mit starker Vaginalmuskulatur oder Frauen, die sich viel bewegen nicht von der gesamten Saugkraft eines Tampons profitieren, da ihre Muskulatur ihn irgendwann ausquetscht.
Bei den Tassen gibt es unterschiedliche Materialstärken. Auch das ist nochmal ein Vorteil.
Juhuu, ein Erfahrungsbericht zu den Menstruationstassen! Vielen lieben Dank, glacia 🙂
Danke, dass du so ehrlich bist. Ich bin auch nicht der geschickteste Mensch und finde es dann immer beruhigend im Voraus zu wissen, wo es am Anfang erstmal Sauerei gibt ;-). Klingt insgesamt nach einer praktischen Alternative vor allem für die schwächeren Tage, weil besseres Tragegefühl und längere Nutzung.
Liebe Grüße
Aureliana
hallo allerseits,
wie großartig wäre das, wenn wir endlich ein schönes, modernes wort für diese tage hätten. „mondzeit“ und dergleichen ist zwar poetisch, wirkt aber auf mich irgendwie albern. „I got my flow“, wie kiran schreibt, gefällt mir, ist aber nicht so leicht zu übersetzen… *grübel*
ich benutze schon lange eine tasse und bin sehr glücklich damit. wenn ich unterwegs bin, leere ich sie auch schonmal aus, ohne sie zu reinigen. bis jetzt habe ich das überlebt 🙂
ich blute übrigens gerade und habe das gerade in aller öffentlichkeit einer halbfremden person erzählt. machen wir doch das thema zu einer selbstverständlichkeit, indem wir einfach so handeln und reden, als wäre es das schon.
jetzt wieder schlafen. 🙂
liebe grüße
eva
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, liebe Eva :). Mit „einfach mal erzählen“ habe ich auch schon gute Erfahrungen gemacht: Viele Menschen sind durchaus bereit, sich auf neue Themen einzulassen; man muss sich nur einfach mal zum ersten Schritt durchringen 😉
Liebe Grüße
Aureliana
(Natur)Schwämmchen sind auch sehr angenehm. Eher für die schwächeren Tage. Und halt auch mit Waschbecken in Reichweite … ihre Aufnahmekapazität ist geringer als bei Tampons. Dafür fühlen sie sich toll an … weich und schmiegsam.
Wenn eine Frau durch das Ausspülen konkret mit ihrem Blut (wie bei der Tasse) in Kontakt ist, finde ich das lebensnäher, als wenn es berührungslos entsorgt wird. Ich empfand es durchaus als sinnliche Momente.
Und hey, wenn ihr über BDSM sprechen könnt, dann wird doch wohl die Mens keine größere Hürde sein??? 😉
Viel gebracht hat mir zum Thema Zyklusblut das Buch „Das Schwarzmond Tabu“ von Jutta Voss.
https://www.amazon.de/Schwarzmond-Tabu-kulturelle-Bedeutung-weiblichen-Zyklus/dp/3783109442/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1473276735&sr=1-1&keywords=das+schwarzmond+tabu
In diesem Sinne … blutige Grüße, Anja
Guter Einwand, dass wir über BDSM ja auch sprechen, liebe Anja ;-). Wir sollten diese Tabuthemen einfach alle mal abschaffen.
Danke für deine Erfahrungen mit den Schwämmchen, die hatten wir bislang noch gar nicht thematisiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Berührung mit Blut auch Sinnlichkeit aufkommt, wenn man den Ekel und die Scham und das Unwohlsein erstmal bewältigt hat. Schließlich geht es ja doch um eine ganz eigene, intime Erfahrung.
Buchtipps sind immer klasse, vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Aureliana