Zeitmanagement
Eine häufig gestellte Frage, wenn ich von meinen polyamoren Beziehungen erzähle, ist: Wie schaffst du es zeitlich, alle deine Beziehungen zu pflegen?
Die Frage ist sehr wichtig, denn auch monogame Menschen wissen, wie schwer es ist, Freundschaften zu pflegen, wenn man nicht genügend Zeit und Aufmerksamkeit in diese Beziehungen steckt. Dennoch ist die Frage ungenau gestellt, da der Zeitfaktor nicht der einzige Faktor ist, um Beziehungen aufrecht zu erhalten. Oft genug ist es mir trotz guten Zeitmanagements passiert, dass meine Partnerinnen und ich uns auseinander ausgelebt haben. Die Frage ist also, welche Indikatoren ich dann noch verwenden kann und wie kann ich diese geschickt und effizient aufteile, so dass sich möglichst wenige Menschen benachteiligt fühlen. Eins vorweg: es gibt, egal wie sehr man sich anstrengt, immer ein Limit. Alternativ kann man auch auf die Pflege scheißen und einfach von Beziehung zu Beziehung leben.
Jeder Mensch und jede Art von Beziehung, die ich zu diesen Menschen führe, ist unterschiedlich. Manche Menschen brauchen viel Aufmerksamkeit, andere weniger. Und die Art und Weise, wie diese Aufmerksamkeit beschaffen sein soll, ist auch unterschiedlich. Manche Menschen wollen jeden Tag ein paar Sätze geschrieben bekommen und brauchen ansonsten keine weitere Aufmerksamkeit. Anderen reicht es, wenn man sich einmal im Jahr sieht, aber dann möchten sie ausschließliche Aufmerksamkeit. In jedem Fall gibt es ein Kaleidoskop von Bedürfnissen des Partners, die einem nur durch viel Kommunikation klar werden und auf die man dann achten muss. So kommt als zusätzliche Qualität zur Aufmerksamkeit noch Achtsamkeit hinzu. Ausschlaggebend ist also nicht nur, wie viel Zeit man mit einer Person verbringt, sondern auch, welche Qualität diese Zeit hat und/oder wie häufig diese Zeit ist.
Leider habe ich oft in meinem Leben erst herausgefunden, in welcher Art und Weise ich meine Aufmerksamkeit und Achtsamkeit einer Person widmen muss, wenn man sich bereits auseinander gelebt hatte. Das kann passieren, wenn man gerade mehr Aufmerksamkeit auf andere Beziehungen und Freunde richtet. Ich persönlich mache dann einen Gefühlscheck, wo meine Prioritäten liegen – ja, ich halte sowas sogar in einer Excel-Tabelle fest. Schwieriger ist es, seinem Partner zu kommunizieren, dass man das Gefühl hat, man entferne sich voneinander. Es gleicht einem Vorwurf, der Partner würde sich nicht genug um einen kümmern.
Ich habe nicht viele Bedürfnisse, aber wenn es ein Bedürfnis gibt, das ich benennen kann, dann das, dass ich wissen muss, woran ich bin. Es macht mich innerlich unruhig, wenn ich eine Person nicht einordnen kann und es ungewiss ist, wie sich die Beziehung weiter entwickeln könnte. Wenn es um die gemeinsame Gestaltung der Zukunft oder der Beziehung geht, lasse ich gerne jeder Partnerin die Zeit, die sie braucht, um sich mit der neuen Situation zu arrangieren und eine Entscheidung zu treffen, ob ein Weg mit mir der richtige Weg für sie ist. Leider ist eine meiner negativen Eigenschaften, dass ich durch mein o.g. Bedürfnis ungeduldig werde, wenn sich diese Entscheidung über Monate oder Jahre hinzieht. Nicht selten habe ich deswegen gegen mein gutes Gewissen auf eine Entscheidung gedrängt und dadurch Partnerinnen verloren.
In meinem Fall ist es im Zeitmanagement nicht nur wichtig, meine Zeit, mein Geld, meine Achtsamkeit und meine Aufmerksamkeit gerecht und je nach Bedarf auf meine Partnerinnen aufzuteilen, sondern auch Intentionen meiner Partnerinnen herauszufinden. Um es mal nicht als emotionale Person, sondern als Projektsteuerer auszudrücken: Diese Intentionen helfen mir, meine Prioritäten auf die Partnerinnen zu konzentrieren, die es „ernst“ genug mit mir meinen und bei denen sich deswegen mein Investment lohnt.