Zwischen Klischee und Wertschätzung
Wer ruft an? Wer zahlt? Und wie verhalte ich mich überhaupt?
Vergesst es. Alles. Jegliche Tipps, wie man sich beim ersten Date oder allgemein beim Kennenlernen verhalten soll, sind totaler Quatsch.
Beispiel Rechnung übernehmen
In meiner feministisch angehauchten Phase während meiner Jugendzeit fand ich es schrecklich, wenn jemand meine Rechnung übernehmen wollte. Ich habe mich regelmäßig geweigert, mich einladen zu lassen. Das hatte viel damit zu tun, dass ich (mir) beweisen wollte, dass ich unabhängig von einem Partner bin und sein kann.
Ein paar Jahre später kann ich das Thema etwas ruhiger sehen – und mich auch einladen lassen. Probleme damit habe ich vor allem dann, wenn ich weiß, dass mein Gegenüber knapp bei Kasse ist und ich es selbst nicht bin. Allerdings kann ich den Impuls, die andere Person einladen zu wollen, irgendwie nachvollziehen, und reiße meist keine Diskussion vom Zaun.
Umgekehrt hatte ich einmal den Fall, dass ich gemeinsam mit einer Freundin einen Mann eingeladen hatte, der uns zuvor einen Gefallen getan hatte. Wir wollten uns revanchieren und fanden die Einladung zum Essen eine gute Gelegenheit. Allerdings haben wir ihn damit ziemlich aus dem Konzept gebracht – anscheinend ist es immer noch ungewöhnlich, als Frau einen Mann einzuladen.
Interessant finde ich heute, wie sehr man als Frau daran gewöhnt ist, dass das männliche Gegenüber die Rechnung übernimmt. An ein paar Stellen habe ich fast überrascht reagiert, als sich herausstellte, dass es keine gemeinsame Rechnung geben würde. Das waren tendenziell aber die Männer, bei denen ich mit am wenigsten Probleme in Richtung Wertschätzung und gegenseitiger Respekt hatte.
Beispiel Etikette
Tür aufhalten, in den Mantel helfen … ich sehe diese Themen zwiegespalten. Zum einen ist es so, dass ich sehr daran gewöhnt bin, alles selbst zu machen, und oft gar nicht oder verspätet reagiere, wenn jemand seine Etikette auspackt. Zum anderen ist es so, dass viele Gesten bei vielen Menschen sehr unnatürlich, sprich angelernt, erscheinen. Wenn mir jemand mit völliger Selbstverständlichkeit die Tür aufhält, habe ich damit weniger Probleme, als wenn jemand vor der Tür beschleunigt, sie aufhält und mich dabei am besten noch mit beifallheischendem Hundeblick anschaut. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich diese Handlungen eigentlich nicht brauche – siehe meinen Satz am Anfang, dass ich das auch selbst machen kann – und daher dann keinen Grund sehe, mich überschwänglich zu bedanken. (Und Etikette heute nicht mehr so stark verbreitet ist, dass man sie wirklich immer erwartet.)
Ich sehe das Thema als Nice-to-have; wenn es sich ergibt und passend ist, gut. Aber wenn ein Riesenaufwand betrieben wird, ist das zu viel des Guten. Es ist im Grunde ein Zeichen von Wertschätzung, aber bevor diese halbherzig oder künstlich demonstriert wird, finde ich es wichtiger, sie auf andere Art zu zeigen. Im Gespräch und vor allem durch Individualität, d.h. mit Zeichen der Wertschätzung, die auf die Person zugeschnitten sind. Also lieber anbieten, beim bevorstehenden Umzug zu helfen, als die Person vor ihrer Haustür abzuladen und sich dann erst nach dem Umzug wieder zu melden. Oder anbieten, vorm Glas Wein noch etwas Kleines zu kochen, wenn der andere direkt aus der Arbeit kommt.
Der Weisheit letzter Schluss …
… existiert beim Dating nicht. Erlaubt ist das, was beiden gut tut. Nicht erlaubt ist das, womit man sich selbst nicht wohlfühlt. Und wer nicht anruft, obwohl er sich nach dem anderen verzehrt, ist selbst schuld!
Außerdem fühlt es sich besser an, etwas zu wagen, selbst wenn es nicht funktioniert. Ich hatte mal den Fall, dass ich bei einem Netzwerktreffen jemanden kennengelernt habe, den ich interessant fand, von dem ich aber keine direkten Kontaktdaten hatte. Ich habe ein, zwei Tage überlegt und gezaudert, aber da er mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist, habe ich ihm über einen Kollegen – den ich dort auch kennengelernt und mit dem ich heute noch gelegentlich Kontakt habe – Grüße und eine kurze Nachricht ausrichten lassen. Er hat sich zwar nie darauf gemeldet, aber allein dadurch, dass ich wusste, ich habe es versucht, hat es sich viel besser als zuvor angefühlt! Es war dann auch nicht wirklich schlimm und ich konnte gut damit abschließen.
Welche Erfahrungen habt ihr mit diesen Themen gemacht?